Schach aus anderen Kulturen
„Kannst Du Schach?“ – Auf diese Frage antworten viele Gefragte mit einem zögerlichen „Ja, ich kann die Züge und verliere immer gegen meine Opa“. Interessant ist hier nun nicht, ob die Person nun gut oder schlecht Schach spielt. Spannend ist, dass sich im Kopf der Menschen in unterschiedlichen Kulturen und Ländern bei dieser Frage ganz andere Bilder befinden. Viele wissen, dass Schach vor langer Zeit in Indien entstanden sein soll und über Persien und Nordafrika nach Europa kam. Schaut man sich die Geschichte des Schachspiels genauer an, findet man eine riesige Familie von Schachspielen, die sich, davon gehen Forscher aus, aus dem indischen Urschach Chaturanga entwickelt haben. Kaum jemand in der westlichen Kultur kennt die Schachverwandten im asiatischen Raum. In China spielt man Xiangqi, in Korea Janggi, in Japan Shogi, in Thailand Makruk und in Myanmar Sittuyin. Schaut man sich diese Spiele an, erkennt man sofort die Verwandtschaft zu „unserem“ Schach (internationales Schach). Bei allen gilt das gleiche Ziel: den König, Monarchen oder Anführer zu fangen. Diese Schachverwandten sind in den jeweiligen Regionen sehr weit verbreitet und werden von vielen Menschen gespielt. Insbesondere gibt es beim Xiangqi (Chinesischen Schach), die Variante, über die ich hier hauptsächlich berichten will, schätzungsweise genau so viele Spielende, wie im internationalen Schach. Xiangqi ist in China und in Vietnam sehr verbreitet. Das Spiel ist dort wie bei uns als Sport organisiert und es finden Meisterschaften, Ligabetrieb, Vereinsmeisterschaften, Schulmeisterschaften und offene Turniere statt. Internationales Schach und Xiangqi laufen quasi in zwei Parallelwelten ab. Seit einigen Jahren gibt es einen herausragenden Spieler, vergleichbar mit Magnus Carlsen im internationalen Schach: Wang Tianyi. Bei den Damen gibt es auch schon seit vielen Jahren eine dominierende Spielerin: Tang Dan. Im internationalen Schach ist momentan auch eine Chinesin die Nummer 1 der Weltrangliste: Hou Yifan.
Außerhalb von China gibt eine kleine Gemeinschaft von Xiangqi-Freunden, die internationale Turniere organisieren. Es gibt einige sehr starke Chinesen, die im Ausland leben und auch gerne an diesen internationalen Turnieren teilnehmen. Der chinesische Xiangqi-Verband richtet in Zusammenarbeit mit einem anderen nationalen Verband alle zwei Jahre eine Weltmeisterschaft aus. In Europa gibt es einige nationale Verbände, die gemeinsam eine Europameisterschaft austragen. Der Deutsche Xiangqi Bund organisiert in Deutschland mehrere Turnier im Jahr und trägt eine deutsche Meisterschaft aus. Als Team nehmen deutsche Spielerinnen und Spieler dann auch an Europa- und Weltmeisterschaften teil.
Vergleicht man nun internationales Schach und Xiangqi, gibt es eine große Schnittmenge bei den Figuren und den Regeln. Es gibt in beiden Spielen quasi Könige, Türme, Springer, Läufer und Bauern. Die Bezeichnungen sind zwar andere: General, Wagen, Pferd, Elefant und Soldaten. Im Xiangqi gibt es keine Dame, die eine europäische Entwicklung ist, dafür gibt es Leibwächter und Kanonen. Die Zugweisen der vergleichbaren Figuren sind identisch oder nur gering unterschiedlich. Ungewohnt ist das Spielbrett. Gespielt wird auf einem Raster mit 9×10 Linien und die Figuren werden auf die Schnittpunkte der Linien gesetzt. Es gibt auch einen Fluss und beide Spielseiten haben einen Palast. Die Spielfiguren sind Scheiben, auf die die Figurensymbole aufgemalt sind. Die folgende Abbildung (Quelle xiangqi.com) zeigt das Spielbrett und die Spielsteine in der Grundaufstellung, einmal mit chinesischen Symbolen und auf der anderen Seite mit den internationalen Symbolen. Bei einem Klick auf das Bild kommt Ihr zu einem Einführungsvideo von xiangqi.com.
Bei der Startaufstellung seht Ihr schon, dass die Stellung viel offener ist, als im internationalen Schach. Man kann schon mit dem ersten Zug in die gegnerische Stellung eindringen. Durch das größere Brett und die offene Stellung, befinden sich die Gegner normalerweise viel schneller in einem heißen Kampf. Die Stellungen sind dynamischer und die Situation kann sich rasend schnell verändern und kippen. Sind nur noch wenige Figuren auf dem Brett und wir sprechen auch hier vom Endspiel, kann sich dies zu einem langen und schwierigen Kampf entwickeln. Wenn man es einmal ausprobiert hat, lässt es einen nicht mehr los.
Als Einführung kann ich Euch das deutsche Buch von Joachim Schmidt-Brauns empfehlen. Wer Chinesisches Schach gerne kennenlernen will, kann dies bei Workshops im Eltinger Rathaus beim Spielabend des Schachvereins. Schaut im Kalender, wann der nächste Termin stattfindet. Sehr zu empfehlen ist auch die Seite von unseren amerikanischen Xiangqi-Freunden: xiangqi.com. Dort findet Ihr Einführungsartikel und könnt auch online spielen. Es gibt auch einen Youtube-Kanal, auf dem ich insbesondere die Lehrfilme von Joep Nabuurs empfehlen kann. Eine große Anzahl von Spielern findet Ihr auf playok.com. Vom 13. bis 14.5. findet das Xiangqi-Wochenende in Leonerg statt. Es gibt dann ein Qualifikationsturnier zur deutschen Meisterschaft und jeweils am Samstag und Sonntag ein offenes Turnier für Anfänger und Amateure, die gerne ein Turnier ausprobieren wollen. Ihr könnt einfach auch als Zuschauer kommen und Euch direkt informieren und Lehrmaterial auf englisch und deutsch anschauen.
Zum Abschluss noch Fotos zu bekannten Personen im Xiangqi. Ein älterer Zeitungsbericht in der Leonberger Kreiszeitung: Reise mit dem deutschen Team zur WM 2013 nach Huizhou. (Martin Berger)
v.l. Sun YongZheng (VIZEWM 2013), Wang Tianyi (WM 2013, 2017), Pu Fangyao (GER), Chen Min (GER), Tang Dan (WM 2011, 2013, 2017)
v.l. Karsten Hoffarth (mehrfacher dt. Meister), Uwe Frischmuth (DXB Vizepräsident), Dr. Michael Nägler (DXB Präsident, mehrfacher dt. Meister). (Foto von Bastian Gollmar)
Chen Pei Jin gegen Martin Berger (Autor des Textes ;-))